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Kritische Solidarität 2.0?

Rückblick auf die KEPP-Frühjahrstagung 2025 in Arnoldshain

In der Nähe von Frankfurt, im Martin-Niemöller-Haus in Arnoldshain, trafen sich vom 10. bis 14. März 2025 evangelische Polizeiseelsorger:innen aus ganz Deutschland zur Frühjahrstagung der KEPP. Im Mittelpunkt stand ein Begriff, der die Arbeit der evangelischen Polizeiseelsorge seit Jahren prägt – und währende der Tagung auf seine bleibende Aktualitität hin befragt wurde: „Kritische Solidarität“.

Unter der Tagungsüberschrift „ZauberFormel oder Ladenhüter – Kritische Solidarität 2.0“ diskutierte die Konferenz, ob und wie dieses Leitmotiv in Zeiten rasanter Veränderungen in Polizei, Kirche und Gesellschaft tragfähig bleiben kann. Bereits 2004 hatte die KEPP eine grundlegende Standortbestimmung formuliert, in der der Begriff eine wichtige Rolle spielte. Aber ist kritische Solidarität eine angemessener Standortbestimmung im Jahr 2025.

Impulse aus Wissenschaft und Praxis

Inhaltliche Impulse kamen aus verschiedenen Disziplinen und Richtungen. Karsten Dittmann (DHPol Münster) führte mit einem Vortrag in die Konferenz ein und zeichnete die Begriffsgeschichte der Kritischen Solidarität nach. Das Konzept hatte die Polizeiseelsorge von der Militärseelsorge übernommen. Der Theologe Niklas Peuckmann (RUB), der den Begriff im Kontext der Militärseelsorge untersucht hat, schärfte mit seinem Beitrag den Seelsorgebegriff und betonte die solidarische Grundhaltung der Seelsorge.

Aus der Polizeiwissenschaft haben Tobias Singelnstein (Goethe-Uni Frankfurt) und Hannah Espín Grau ihre aktuelle Forschung zum Thema „Gewalt im Amt“ vorgestellt und dabei stärker die Aufgabe eine kritischen Haltung betont. Die Kriminologin und Erziehungswissenschaftlerin Anja Mensching (Christian-Albrechts-Universität Kiel) rückte die Frage nach polizeilicher Fehlerkultur ins Zentrum und sprach über strukturelle Ursachen von Fehlern und die Gefahr, Systemisches zu individualisieren. Der Psychologe Clemens Lorei (HöMS) sprach über Tabuisierungen und Schweigen in der Polizei.

In einer Podiumsdiskussion wurden die verschienenen Impulse aufgegriffen. Im Zentrum stand hier die Fehlerkultur in Polizei und Kirche und die Frage, was beide auch voneinander lernen können. Es diskutierten hier Felix Paschek (Hessischer Landespolizeivizepräsident), Julian Junk (PRIF/HöMS) und Martin Mencke (EKHN). Das Gespräch wurde von Polizeipfarrer Armin Kistenbrügge moderiert.

Gottesdienst und Exkursion

Die KEPP-Tagung findet zweimal jährlich statt: als Präsenz-Treffen im Frühjahr und in einer Video-Konferenz im Herbst. Dabei sind die Polizeipfarrerinnen und Polizeipfarrer jeweils zu Gast in einer Landeskirche. In diesem Jahr war die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau Ausrichterin. Mit Kirchenpräsidentin Christiane Tietz fand daher während der Tagung ein gemeinsamer Gottesdienst statt, der gleichzeitig Auftakt war zum Landeskirchlichen Empfang.

Ein weitere Programmpunkt führte die Polizeipfarrerinnen und Polizeipfarrer nach Frankfurt. Dort wurde die Europäische Zentralbank besucht, bei deren Eröffnung im Jahr 2015 es zur gewalttätigen Protesten kam. Polizeiführungskräfte berichteten in der Rückschau in der Zentralbank von den damaligen Ereignissen. Anschließend besuchten die Konferenzteilnehmen die Frankfurter Paulskirche.

Nächste Tagung in Malente

Die Tagung in Arnoldshain hat gezeigt: „Kritische Solidarität“ ist kein Auslaufmodell, sondern ein nach wie vor durchaus hilfreiches Konzept – vorausgesetzt, es bleibt lernfähig, selbstkritisch und dialogoffen zwischen Kirche, Polizei und Gesellschaft. Die Beiträge aus Theologie, Polizei- und Sozialwissenschaften haben die Spannung benannt, in der Seelsorge steht: Nah bei den Menschen, klar in der Haltung, aufmerksam für Strukturen, die Veränderung brauchen.

Daran knüpft die KEPP im kommenden Jahr an: Vom 23. bis 27. Februar 2026 trifft sich die Frühjahrstagung in Malente unter dem Thema „Führung stärken“. Was in Arnoldshain als gemeinsame Haltung vermessen wurde, wird dort als Führungsaufgabe weitergedacht – in Ausbildung, Praxis und Organisation. So setzt die KEPP ihren Weg fort: Solidarisch an der Seite der Polizei, kritisch im Blick auf Verantwortung und Macht, und mit dem festen Willen, Vertrauen und Professionalität zu fördern.


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